Entwicklung neuer Antibiotika: Ein Gespräch mit Dr. Jennifer Herrmann

Supriya Kamath
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Dr. Jennifer Herrmann ist leitende Wissenschaftlerin am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Charakterisierung neuer Naturstoffe – in der Natur vorkommende Verbindungen – mit antibakteriellen Eigenschaften sowie auf die Untersuchung ihrer Wirkmechanismen und ihres Potenzials zur Verwendung in Arzneimitteln. Kürzlich hat sie einen JoVE-Videoartikel über die Verwendung von Metabolic Profiling zur Bestimmung der bakteriziden oder bakteriostatischen Wirkung neuer Naturstoffe mithilfe der isothermen Mikrokalorimetrie mitverfasst.

Vor dem Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft am 11. Februar sprachen wir mit Dr. Herrmann über ihre Arbeit, wie ihr Interesse für die Entdeckung von Naturstoffarzneimitteln geweckt wurde, welche Entwicklungen auf diesem Gebiet sie am meisten begeistern, und über ihre Ratschläge an aufstrebende WissenschaftlerInnen im Bereich Pharmazie.

Woran arbeiten Sie gerade und können Sie einem nichtwissenschaftlichen Publikum die Bedeutung dieses Themas erklären?

Dr. Jennifer Herrmann: “Ich arbeite derzeit an mehreren antibakteriellen Naturstoffklassen. In der Anfangsphase solcher Projekte versuchen wir zu verstehen, welche Arten von Bakterien durch die Naturstoffantibiotika abgetötet werden können, und legen besonderen Wert auf das Screening lebensbedrohlicher Krankheitserreger, die häufig multiresistent sind. 

In den letzten Jahren haben zahlreiche Kampagnen und Berichte in den Medien zu einem verstärkten öffentlichen Bewusstsein für Antibiotikaresistenzen beigetragen. Das Auftreten resistenter menschlicher Krankheitserreger schränkt die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten ein und eine einfache Infektion kann tödlich werden, da keines der verfügbaren Antibiotika gegen den Erreger wirksam ist. Daher werden dringend neue Antibiotika benötigt. Naturstoffe können häufig die Resistenz „brechen“, weil sie durch neue Wirkmechanismen neue Ziele erreichen. 

Meine Arbeit konzentriert sich darauf, diese neuen Mechanismen aufzuklären und Naturstoffe für ihre vorklinische Entwicklung vorzubereiten. Diese Studien umfassen viele verschiedene Arten von Experimenten, da wir nicht nur antibakterielle Wirkungen, sondern auch andere pharmazeutische Eigenschaften, untersuchen und potenzielle Toxizitätsrisiken sorgfältig bewerten.”

Woher kam Ihr Interesse an der Entdeckung von Naturstoffarzneimitteln?

Dr. Jennifer Herrmann: “Während meines Chemiestudiums arbeitete ich als ERASMUS-Studentin an der Totalsynthese eines pflanzlichen Naturstoffs. Ich war fasziniert von der komplexen Chemie von Naturstoffen, interessierte mich aber auch für die vielfältigen biologischen Aktivitäten, die diese Verbindungen ausüben. Bevor ich an die Universität des Saarlandes wechselte und mein Promotionsstudium begann, hatte ich die Möglichkeit, mein Wissen über das biologische Screening kleiner Moleküle und Naturstoffe als Praktikantin bei Bayer CropScience und als Gastwissenschaftlerin bei Drug Discovery Ltd. in Glasgow, Schottland, zu vertiefen. 

Nach diesen Arbeitserfahrungen war ich fest davon überzeugt, dass ich an der Entdeckung von Naturstoffarzneimitteln arbeiten möchte, und bewarb mich um eine Doktorandenstelle in der Gruppe von Rolf Müller, einem der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet.”

Welche Entwicklungen auf diesem Gebiet sind für Sie derzeit am spannendsten und warum?

Dr. Jennifer Herrmann: “Die Technologie verbessert sich in allen Bereichen der Naturstoffforschung und solche neuen Technologien beschleunigen die Entwicklung neuer Verbindungen zu klinisch verwendeten Arzneimitteln. Für mich ist es am faszinierendsten zu sehen, wie sich der Part der Entdeckung verbessert, was insbesondere auf der Weiterentwicklung neuartiger Techniken in den Bereichen Mikrobiologie und Analytik beruht. 

Mein Forschungsschwerpunkt liegt in der Aufklärung antibakterieller Angriffspunkte neu entdeckter Naturstoffe. Diese Aufgabe kann recht komplex sein, aber es ist großartig zu sehen, dass Studien zur Wirkungsweise von den jüngsten technischen Entwicklungen stark profitieren. Die Werkzeuge, die jetzt allgemein verfügbar sind, reichen von genetischen Werkzeugen, neu entwickelten Forschungsreagenzien und Omics-Technologien bis hin zu neuen Instrumenten, die es Forschern ermöglichen, in einem angemessenen Zeitrahmen ein detailliertes Verständnis der durch Antibiotika induzierten Zellreaktionen zu entwickeln.”

Was sind einige der denkwürdigsten Momente in Ihrer Karriere als Wissenschaftlerin?

Dr. Jennifer Herrmann: “Ein denkwürdiger Moment in der Karriere vieler Wissenschaftler ist mit Sicherheit der Abschluss ihrer Doktorarbeit – das gilt auch für mich. Es gibt viele andere Momente, an die ich mich gerne erinnere, daher ist es schwierig, konkrete Beispiele zu nennen. Es macht mir immer Spaß, mit anderen Wissenschaftlern und Menschen in Kontakt zu treten, die einen dazu ermutigen, über den Tellerrand hinauszudenken. Ich hatte viele gute Diskussionen, die unvergesslich waren und letztendlich dazu beigetragen haben, meine Arbeit zu verbessern.”

Welchen Rat würden Sie NachwuchswissenschaftlerInnen geben, die sich für Naturstoffforschung oder Pharmaforschung im Allgemeinen interessieren?

Dr. Jennifer Herrmann: “Go for it! 

Sie können Ihre Karriere in der Naturstoffforschung und in den pharmazeutischen Wissenschaften auf viele verschiedene Arten beginnen, da es sich um ein multidisziplinäres Feld handelt. Ich würde es als am wichtigsten betrachten, zuerst die eigenen Interessen zu identifizieren und dann ein geeignetes Studienfach zu wählen, das beispielsweise im Bereich Biologie, Chemie, Pharmazie oder Bioingenieurwesen liegen kann. Wie in jeder beruflichen Laufbahn ist es wichtig, auf persönlichen Stärken und Interessen aufzubauen, um erfolgreich zu sein. Sobald Sie als Wissenschaftler angefangen haben, ist es wichtig, leidenschaftlich zu bleiben, neue Fähigkeiten zu entwickeln und mit neuen Herausforderungen zu wachsen.”

Zur Feier des Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft hat unser Team eine spezielle Playlist mit JoVE-Wissenschaftsvideos zusammengestellt. Der Zugriff auf diese Wiedergabeliste ist bis zum 28. Februar 2021 kostenfrei möglich.